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Integrierte Multitrophe Aquakultur (IMTA)

Nachhaltiges Wirtschaften für Mensch und Umwelt

Einführung

Aquakultur, die Aufzucht von Wassertieren und –pflanzen, spielt für die Welternährung eine immer größere Rolle. Konventionelle Aquakultur ist jedoch häufig mit großen ökologischen Problemen verbunden. Viele dieser Probleme lassen sich mit dem umweltfreundlichen Ansatz der Integrierten Aquakultur (IMTA) lösen. Sie kombiniert verschiedene Zuchttiere und -pflanzen miteinander, die einen natürlichen Kreislauf bilden.

Erkunde die einzelnen Stationen des Modells

Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie  ZMT Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Einführung

So funktioniert die integrierte Aquakultur

Aquakultur, die Aufzucht von Wassertieren und –pflanzen, spielt für die Welternährung eine immer größere Rolle. Es ist der Nahrungsmittelsektor, der am stärksten wächst. Konventionelle Aquakultur ist jedoch häufig mit großen ökologischen Problemen verbunden, wie Verschmutzung der Umwelt durch ihre Abwässer, Ausbreitung von Krankheiten oder Zerstörung ganzer Lebensräume.

Viele dieser Probleme lassen sich mit dem umweltfreundlichen Ansatz der Integrierten Aquakultur (IMTA) lösen. Sie kombiniert verschiedene Zuchttiere und -pflanzen miteinander, die einen natürlichen Kreislauf bilden, bei dem Futterreste und Abfallstoffe optimal verwertet werden.

Das hier ausgestellte Modell entstand am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. Es veranschaulicht eine IMTA in einer tropischen Küstenlandschaft, denn besonders in Entwicklungsländern kann diese Form der Aquakultur eine Sicherung des Lebensunterhalts bieten.

Tippe auf die einzelnen Stationen im Übersichtsbild, dann öffnen sich Informationen, Bilder und Videos rund um das Thema Aquakultur, IMTA und neue Nahrungsmittel aus dem Meer.
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Bild links: Konzept für eine integrierte Aquakulturanlage (IMTA) mit Fischen im Käfig, Algen (links), Muscheln (rechts) und Seegurken am Boden. Die Futterabfälle und Ausscheidungen von den Fischen werden von den anderen Tieren und Pflanzen als Nahrung verwertet. So reduziert sich der Nährstoffeintrag in die umliegenden Ökosysteme. (Grafik: Juan Pablo Carlos)

Wovon sollen wir uns bloß in der Zukunft ernähren?

Die Meere leeren sich…

Die Meere leeren sich…

… und fruchtbares Land wird knapp – warum Aquakultur immer wichtiger wird

Die Weltbevölkerung nimmt zu. Heute leben 7,4 Milliarden Menschen auf der Erde, in 2050 sollen es rund 10 Milliarden sein. Um diese Menge an Menschen zu ernähren, müssen wir vor allem die Meere klüger nutzen.

Die maximale Kapazität der Landwirtschaft, um die Menschheit zu ernähren, wird in absehbarer Zeit erreicht sein. Süßwasser, Acker- und Weideland werden kaum noch ausreichen. Denn da die Bevölkerungszahlen und der durchschnittliche Konsum steigen, müssten sich die landwirtschaftlichen Nutzflächen bis 2050 fast verdoppeln. Auch Mineraldünger wie Phosphor wird immer knapper.

Für die Ernährung der Weltbevölkerung insbesondere mit Eiweiß spielen deshalb Produkte aus dem Meer eine immer bedeutendere Rolle. Im Schnitt konsumiert jeder Mensch jährlich 20 kg Fisch.

Weltweit gelten 33 % der kommerziell genutzten Bestände von Wildfischen als überfischt und 60 % als maximal genutzt.

Daher wird Aquakultur immer wichtiger, um die Ernährung der Menschen zu sichern. Vor allem die Meerwasseraquakultur hat das Potential, sich unabhängig von den Faktoren zu entwickeln, die die Landwirtschaft limitieren.

Wieviele Tonnen Fisch importiert Deutschland wohl jedes Jahr? 100? 1000? Weit gefehlt!

Freitags gibt´s Fisch

Freitags gibt´s Fisch

…doch woher kommt er eigentlich? Hier ein paar Zahlen

Fische und Meeresfrüchte versorgen die Menschen mit hochwertigem tierischen Eiweiß. Meeresfische sind auch hervorragende Jod-Lieferanten. Fetthaltige Fische wie Makrelen, Lachs und Thunfisch sind wichtige Quellen für Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D. Darüber hinaus liefern Fische und Meeresfrüchte eine Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen.

Mehr als 30.000 Fischarten sind bekannt. Etwa 1000 davon werden vom Menschen als Nahrung genutzt.

Um die wachsende Weltbevölkerung weiterhin ausreichend mit Speisefisch zu versorgen, müsste in 2030 die gesamte Fischproduktion auf ca. 204 Millionen Tonnen ausgedehnt werden.

Die Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten übersteigt bei weitem die Produktionskapazität von natürlichen Gewässern. Mittlerweile stammt daher gut die Hälfte der Fischmenge, die weltweit verzehrt wird, aus Aquakultur.

Global werden 600 Arten von Meerestieren in Aquakultur gezüchtet. Fische dominieren (ca. 54 Millionen Tonnen pro Jahr), gefolgt von Weichtieren wie Muscheln und Schnecken (ca. 17 Millionen Tonnen) und Krustentieren wie Garnelen (ca. 9 Millionen Tonnen). Eine wichtige Rolle in der Zucht spielen aber auch Algen (ca. 32 Millionen Tonnen).

Die deutschen Küsten eignen sich kaum für profitable Aquakultur, mit Ausnahme von Miesmuschelkulturen. Es fehlen ausreichend geschützte Meeresbuchten, und es gibt eine Vielzahl von Nutzungskonflikten, zum Beispiel mit Tourismus, Fischerei, National- oder Windparks.

Im Jahr 2016 wurden 2,2 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte in Deutschland verzehrt. Lediglich 300.000 Tonnen wurden hier gefangen oder gezüchtet. Der Rest – ganze 1,9 Millionen Tonnen - wurde importiert.

Lachs, der beliebteste Speisefisch in Deutschland, kommt fast ausschließlich aus norwegischer Aquakultur. Aus Osteuropa beziehen wir gezüchtete Forellen. Zunehmend importieren wir auch aus China und Südostasien, vor allem Garnelen und Pangasius aus Aquakultur.

Die Zucht von Wassertieren hat in Asien eine uralte Tradition. China ist das Land mit den meisten Aquakulturanlagen, dann folgen Indien, Vietnam, Indonesien und Bangladesch.

Aquakultur soll also eine Möglichkeit sein, die Welternährung zu sichern? Aber man hört doch immer so viel Negatives darüber…

Die Schmutzschleuder

Die Schmutzschleuder

Wie Aquakultur, die nicht nachhaltig ist, andere Lebensräume schädigt

Die herkömmliche Aquakultur kämpft oft mit etlichen Problemen. Das gilt zum Beispiel für die intensive Lachszucht in Norwegen, Kanada und Chile. Niedrige Hygiene- und Umweltstandards verschärfen die Probleme. Dies trifft insbesondere auf den asiatischen Raum zu, wo knapp 90% der weltweiten Aquakulturproduktion stattfindet.

Der steigende Bedarf an Aquakulturprodukten und großer Konkurrenzdruck veranlassen viele Fischbauern, die Haltung zu intensivieren. In den Anlagen werden dann zum Beispiel Fische oder Garnelen in Monokultur dichtgedrängt gehalten.

Futtermittel werden oft ungezielt und zu massiv eingesetzt. Die Futterreste und der Kot der Tiere sammeln sich im Wasser der Aquakultur an. Die Zugabe von Hormonen und Medikamenten an die Zuchtbestände belasten das Wasser zusätzlich.

Aus offenen Netzgehegen im Meer oder aus küstennahen Teichen, die ihr Wasser ungefiltert in die Küstengewässer abgeben, gelangen die schädlichen Stoffe und der Überschuss an organischem Material ins freie Meerwasser.

Dort führen sie zu Algenblüten und Sauerstoffmangel im Wasser. Das belastet die angrenzenden Ökosysteme, wie Korallenriffe oder Seegraswiesen, was erhebliche wirtschaftliche und ökologische Schäden nach sich ziehen kann.

Die Forscher des ZMT untersuchten beispielsweise die Auswirkung intensiver Garnelenaquakultur auf Seegraswiesen in chinesischen Küstengebieten. Dort nahm die Artenvielfalt und Wuchsdichte der Gräser stark ab, Kleinalgen überwucherten die Gräser und nahmen ihnen das Licht.

Im Meer tummeln sich ja auch unzählige Bakterien. Meist sind sie für die Meeresfauna unschädlich, aber wenn sich die Wasserqualität verschlechtert, kann sich das ändern.

Winzlinge mit großer Wirkung

Winzlinge mit großer Wirkung

Wen Krankheitserreger aus Aquakultur alles befallen können

Aquakultur wird häufig in offenen Netzgehegen oder küstennahen Teichen betrieben, deren Abwässer ungefiltert ins Küstenmeer gelangen. Intensive Haltung von Fischen oder Garnelen in Monokultur kann dann dazu führen, dass Krankheitserreger und Parasiten befallener Zuchttiere sich sehr schnell ausbreiten.

Oft wird auch zu viel gefüttert, und es kommt dadurch zur Überdüngung der Gewässer. Krankheitserreger wie Bakterien vermehren sich sehr schnell in Wasser, das viel organisches Material enthält.

Krank machende Bakterien oder auch Viren können Wildformen der Zuchttiere oder benachbarte Anlagen befallen. Häufig werden Antibiotika unkontrolliert verabreicht, das fördert die Entstehung resistenter Keime. Dadurch brach beispielsweise in den letzten Jahrzehnten in Südostasien fast die gesamte Garnelenindustrie zusammen.

Beim Verzehr von Aquakulturprodukten können die Erreger in den Menschen gelangen. In Asien, woher viele Industrienationen - auch Deutschland - Fisch und Meeresfrüchte beziehen, ist das Problem besonders akut.

Ob schädliche Bakterien aus Zuchtgehegen auch in benachbarte Ökosysteme, wie Korallenriffe, gelangen und die Korallen direkt schädigen können, wird noch erforscht.

Die nährstoffreichen Abwässer aus den Gehegen fördern aber das Wachstum von Algen. Wie Forscher des ZMT herausfanden, geben einige der Algenarten bestimmte Zucker ins Wasser ab, die die Vermehrung von schädlichen Bakterien im Riff stark ankurbeln.

In von Algen dominierten Riffen findet sich daher häufig eine hohe Anzahl an Korallen, die beispielweise an weißen Pocken, der Weiß- oder Schwarzbandkrankheit leiden.

Und auch ein weiteres Ökosystem leidet ganz besonders unter den Methoden herkömmlicher Aquakultur, aber aus anderen Gründen.

Es war einmal … ein Mangrovenwald

Es war einmal … ein Mangrovenwald

Unzählige Mangrovenwälder sind der konventionellen Aquakultur zum Opfer gefallen

Für die Anlage von Zuchtteichen an Küsten werden andere Ökosysteme beeinträchtigt oder zerstört. Ganz häufig betrifft dies Mangroven.

Mangroven kommen an den Küsten von mehr als 100 Ländern vor. Es sind Küstenwälder am Übergang zwischen Land und Meer, die das Salzwasser und den starken Tidenhub tolerieren. Mangroven sind wahre Überlebenskünstler in diesem extremen Lebensraum und von großem Nutzen.

Sie bieten Schutz vor Küstenerosion und Stürmen, fangen als Filter Umweltgifte und Sediment vom Land ab, bevor diese das offene Meer erreichen, sie binden große Mengen an Kohlenstoffdioxid und versorgen Millionen von Menschen mit Brennholz, Baumaterial und Nahrung.

Angetrieben durch hohe Preise und die starke Nachfrage weltweit sind in den 90er Jahren vor allem in Südostasien riesige Küstenstriche umgestaltet worden, um vor allem Zuchtteiche für Garnelen anzulegen. Dafür wurden viele Quadratkilometer wertvoller Mangroven geopfert.

Die tropischen Küsten, wo Mangroven wachsen, bieten ideale Bedingungen für die Anlagen: frisches Meerwasser ist nicht weit und kann zum Austausch des Wassers in die Teiche gepumpt oder durch die Tiden eingeschwemmt werden.

Über viele Kilometer reihen sich nun in Indien und Südostasien die Teiche dicht an dicht entlang der Küste. In 2004 bekamen viele Länder in Südostasien die Folgen zu spüren: der große Tsunami traf mit einer Wucht auf die Küste, die gesunde Mangrovenwälder teilweise hätten abbremsen können.

Auch sind die Wildfänge der Fische und Shrimps in der Region deutlich zurückgegangen, weil Mangroven die natürliche Kinderstube der Jugendstadien vieler Garnelen- und Fischarten sind.

Mit der herkömmlichen Aquakultur sind also viele, viele Probleme verbunden. Wie kann man diese in den Griff bekommen?

IMTA: Wohngemeinschaft unter Wasser

IMTA: Wohngemeinschaft unter Wasser

Wer passt zu wem in der integrierten Aquakultur?

Viele der negativen Auswirkungen der konventionellen Aquakultur, die die einzelnen Kapitel ansprechen, lassen sich mit dem Ansatz der Integrierten Aquakultur (IMTA) minimieren. Natürlichen Ökosystemen nachempfunden, bietet sie eine nachhaltige Alternative.

Sie kombiniert ganz unterschiedliche Zuchttiere und -pflanzen miteinander, die sich aber bestens ergänzen, was ihre Ernährung angeht. Das überschüssige Futter von Fischen oder Garnelen, die mit Pellets gemästet werden, und ihre nährstoffreichen Ausscheidungen werden von anderen Zuchtorganismen verwertet, die nicht extra gefüttert werden müssen.

So filtern beispielsweise Muscheln und Algen die Futterreste und Ausscheidungen der Fische oder Garnelen aus dem Wasser und ernähren sich davon. Seegurken und Meereswürmer wühlen sich durch das Sediment am Meeresboden und fressen die Abfälle, die dort gelandet sind.

Die mitgezüchteten Algen und Meeresfrüchte können ebenfalls vermarktet werden, oder sie dienen wiederum als Futter für die Fische und Garnelen. Dadurch entsteht ein natürlicher Kreislauf.

Somit gelangen weniger Abfallstoffe in die Umwelt, und das zugegebene Futter wird sehr effizient genutzt. Anders als bei Monokulturen kann die Vielfalt an Zuchtorganismen einer IMTA auch ihre Anfälligkeit gegenüber Krankheiten verringern.

Das ZMT erforscht, welche Tiere und Pflanzen interessante Kandidaten für eine IMTA wären, um die besten Synergieeffekte zu erzielen. So wird zurzeit ein System mit Milchfischen, Salzpflanzen wie Queller und Seegurken getestet.

Bei der IMTA könnten Seegurken also eine prominente Rolle spielen. Was sind das für Lebewesen und wie nutzen wir sie?

Der Ozean bittet zu Tisch

Der Ozean bittet zu Tisch

Seegurken und Meereswürmer auf dem Speiseplan

Ein hochinteressanter Kandidat für die integrierte Aquakultur (IMTA) ist die Seegurke. Wie Seesterne und Seeigel sind Seegurken, von denen es etwa 14.000 Arten gibt, Stachelhäuter. Sie kommen in allen Meeren von der Arktis bis in die Tropen vor.

Wie Regenwürmer an Land wühlen Seegurken sich durch den Sand am Meeresboden, verschlingen ihn, verdauen das organische Material und scheiden die Sandkörner wieder aus. Forscher des ZMT stellten fest, dass eine Seegurke in einem Jahr auf einem Areal von 1.000 Quadratmetern an die 10.600 Kilo Sediment durcharbeiten kann.

Als solche „Staubsauger der Meere“ verhindern Seegurken, dass sich zu viel zerfallene organische Substanz im Meeressand absetzt und das Wasser überdüngt wird.

Darin liegt auch ihr Wert für die IMTA: Werden sie zum Beispiel am Boden unterhalb von Fischkäfigen gehalten, verwerten sie die Futterreste und Ausscheidungen der Zuchtfische, die im Sediment am Boden landen, und müssen selber nicht zugefüttert werden.

Seegurken sind in vielen Tropenländern eine wichtige Quelle für Protein und Spurenelemente. In Asien, vor allem in China, werden sie als teures Superfood gehandelt und Suppen oder Eintöpfen zugesetzt.

Dort werden sie auch als Heilmittel für Bluthochdruck gehandelt, sollen Krebs unterdrücken können und eine aphrodisierende Wirkung haben. Inwieweit sie tatsächlich gesundheitsfördernde Stoffe in sich tragen, ist Gegenstand heutiger Forschung.

Sie sind einfach einzusammeln und können mehrere hundert Dollar pro Tier einbringen, was zu ihrer enormen Überfischung beiträgt. Pro Jahr werden 400.000 Tonnen Seegurken aus dem Meer gefangen, viele Arten gelten als gefährdet.

In seinen Versuchsaquarien untersucht das ZMT, unter welchen Bedingungen bestimmte Seegurkenarten am besten wachsen, um sie in einer IMTA halten zu können. Das würde helfen, sie vor Überfischung zu schützen.

Wie Seegurken könnten auch die eiweißreichen Meereswürmer, die ebenfalls den Sand am Meeresboden umwälzen und reinigen, für die IMTA und den Verzehr geeignet sein.

Weniger Überwindung dürfte es viele Menschen in unseren Breiten kosten, Muscheln zu essen. Für eine IMTA haben diese viele Vorzüge.

Lebende Wasserfilter

Lebende Wasserfilter

Auch Muscheln sind effiziente Reinigungskräfte

Muscheln sind hocheffiziente Filtrierer, die mit ihren Kiemen für die Nahrungsaufnahme organisches Material aus dem Wasser filtern. Ihre Kiemenbögen produzieren einen Schleim, in dem die Partikel hängenbleiben und mithilfe von Wimpern zum Mund transportiert werden.

Eine Miesmuschel beispielsweise filtert pro Stunde circa vier Liter Wasser und entzieht ihm dabei kleinste Partikel wie Plankton, also winzige Algen und Tiere, und andere Schwebstoffe.

Auch Muscheln sind geeignete Kandidaten für eine integrierte Aquakultur (IMTA), da sie beim Filtern der Nahrung die Anlage von den Futterresten und Ausscheidungen der Fische oder Garnelen reinigen und nicht extra gefüttert werden müssen.

Anders als Seegurken, die am Meeresboden aktiv sind, fischen sie aber das Material heraus, das in der Wassersäule schwebt.

Muscheln sind nährstoffreich, da sie wie andere Meeresfrüchte hochwertiges Eiweiß liefern sowie viele Vitamine und Mineralstoffe. Werden in einer IMTA Perlenaustern gezüchtet, können auch die Perlen vermarktet werden.

Ihre Art, sich zu ernähren, bringt aber auch Nachteile mit sich: es können Umweltgifte mitgefiltert werden, die sich in den Muscheln anreichern und beim Verzehr vom Menschen mit aufgenommen werden.

Daher sollten IMTAs, die für die Reinigung des Wassers auf Muscheln setzen, in sauberen Gewässern und nicht in der Nähe von Flussmündungen oder Abwässern aus Küstensiedlungen eingerichtet werden. Denn dort gelangen oft viele Giftstoffe ins Meer sowie Dünger, der die massenhafte Vermehrung giftiger Kleinalgen fördert.

Bei uns sind insbesondere Miesmuscheln, Austern, Venus- und Jakobsmuscheln beliebt. Allein in Europa werden jährlich um die 100.000 Tonnen Miesmuscheln verzehrt.

Auch Algen sind beliebte Mitbewohner der IMTA-Wohngemeinschaft.

Was ist grüner Kaviar?

Was ist grüner Kaviar?

Ein besonderes Gaumenerlebnis, das als Superfood gilt

Makroalgen ergänzen die anderen Abfallverwerter in einer integrierten Aquakultur (IMTA) auf ideale Weise. Während Seegurken organische Partikel aus dem Meeressediment verwerten und Muscheln sie aus der Wassersäule filtern, nutzen Algen die organischen Abfälle, die sich zersetzt und im Wasser gelöst haben.

Muscheln und Algen werden daher in einer IMTA - wie im Modell zu sehen - an Leinen gezüchtet, die in unmittelbarer Nähe des Fischkäfigs im Wasser herunterhängen, während sich die Seegurken unter dem Käfig am Meeresboden aufhalten.

Algen sind vielfältig verwendbar. Sie besitzen einen hohen Eiweiß- und Zuckergehalt sowie viele Mineralsalze, Vitamine und Spurenelemente. Darüber hinaus können Algen aufgrund ihrer schnellen Wachstumsraten enorme Mengen an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen.

In Ostasien sind sie schon seit 2500 v. Chr. ein fester Bestandteil der Ernährung. Heutzutage werden sie dort gekocht, gebraten, gedämpft oder in Essig eingelegt, zu Sushi und Salaten verarbeitet oder zu Suppen gegeben, als Gemüsebeilage oder getrocknet als Chips gegessen, dienen als Gewürz oder Tee.

Das breite Spektrum ihrer Inhaltsstoffe macht sie nicht nur für die Lebensmittelindustrie, sondern auch für die Pharma-, Gesundheits- und Kosmetikindustrie sowie als Düngemittel oder Biokraftstoff interessant. Im Bereich Kosmetik sind Algen zum Beispiel als Weichmacher, Hautaufheller, Anti-Aging- und Hautschutzmittel gefragt.

Am ZMT wird an einer Algenart geforscht, die umgangssprachlich „Meerestraube“ oder auch „Grüner Kaviar“ genannt wird. Sie zeichnet sich durch ihre besondere Form aus, besitzt einen hohen Nährwert, viel Jod und ein hohes antioxidatives Potential. Die kleinen, runden Kugeln, die an einer Rispe hängen, schmecken leicht salzig und zerplatzen im Mund wie Kaviar.

Grüner Kaviar kommt aus dem Indopazifik, er ist in Südostasien, insbesondere in Japan, Vietnam und China sehr gefragt. Die Alge hat ein großes Potential, zur Ernährungssicherung beizutragen. Auch für die Aufzucht in einer integrierten Aquakultur (IMTA) könnte sie sich eignen.

Was wäre, wenn man die Algen auch an die Fische der IMTA verfüttert?

Können Raubfische zu Vegetariern werden?

Können Raubfische zu Vegetariern werden?

…oder wenigstens zu Flexitariern, die nur noch ganz wenig tierisches Eiweiß essen

Wir sind wählerisch. Wenn wir Fisch essen, bevorzugen wir meist die größeren Raubfische, wie Lachs, Thunfisch oder Heilbutt.

Raubtiere benötigen aber sehr viel mehr Energie zum Wachsen als Pflanzenfresser. An Land züchten wir daher meist Tiere, die vorwiegend Pflanzen fressen, wie Rind, Schwein oder Huhn.

Da eine rege Nachfrage nach den großen Raubfischen besteht, werden auch vor allem diese in Aquakultur gezüchtet. Das ist allerdings nicht sehr nachhaltig, denn für ihre Ernährung wird die vielfache Menge an kleineren Wildfischen verbraucht, wie Sardinen, Sardellen oder Anchovis, die dadurch überfischt werden.

Laut Prognosen wird im Jahr 2025 die globale Aquakulturproduktion an die 85 Millionen Tonnen Fischfutter benötigen. Diese Menge wird nicht mehr durch die Bestände von wilden Beutefischen gedeckt werden können.

Auf Grund der abnehmenden Bestände an kleinen Wildfischen stieg der Weltmarktpreis für Fischmehl und -öl in den letzten Jahren um das Vier- bis Fünffache an.

Daher versucht man heute, die großen Zuchtfische an pflanzliche Proteine zum Beispiel aus Mais, Raps, Lupine, Soja und weiteren Hülsenfrüchten zu gewöhnen. Aber auch Mikro- und Makroalgen werden in Zukunft immer wichtigere Protein- und Ölquellen für Fischfutter sein.

Der Fischmehl- und Öl-Anteil lässt sich dadurch mittlerweile stark reduzieren. Manche Raubfische, wie Lachs und Forelle, kommen sogar schon fast ohne Fischmehl aus.

Idealerweise stammt das Protein im Fischfutter auch aus der Aquakultur. Bei der integrierten Aquakultur (IMTA) könnten die mitgezüchteten Organismen wie Muscheln und Algen, die die Futterreste und Ausscheidungen der Fische verwerten, dann selber als Fischfutter dienen. So entsteht ein nachhaltiger Kreislauf.

Eine weitere Maßnahme ist es, statt Raubfische mehr pflanzen- oder allesfressende Fischarten zu züchten, wie die Süßwasserfische Tilapia, Wels und Karpfen. Sinnvoll wäre es auch, wenn wir selber die kleinen Fische aus Wildbeständen essen würden, wie Sprotten, Anchovis oder Sardinen, anstatt sie zu Fischfutter zu verarbeiten.

Die Idee einer IMTA hat übrigens uralte Wurzeln, schon in der Bronzezeit wurde in Asien eine Vorform davon praktiziert.

Der Familienbetrieb

Der Familienbetrieb

IMTA: Eine Einkommensquelle, die Familien in den Tropen den Lebensunterhalt sichern kann

Nachhaltige Aquakulturen wie die integrierte Aquakultur (IMTA) sind in Europa noch nicht besonders verbreitet. Doch das Bewusstsein für die Bedeutung gesunder Meere für die Umwelt und den Artenreichtum wächst stetig.

In Kanada, Chile, Israel und Südafrika wird bereits intensiv an dem Thema IMTA gearbeitet. In Südostasien findet man bisher vor allem eine Vorform der IMTA.

Dort gibt es bereits seit Hunderten von Jahren eine Co-Kultivierung, bei der die Zuchtorganismen voneinander profitieren: Beispiele sind die Fischzucht auf überfluteten Reisfeldern oder Geflügel und Schweine, die über Fischteichen gehalten werden.

Bei der IMTA handelt es sich im Grunde um eine Neuauflage historischen Wissens aus Asien. Allerdings wendet sie modernere Methoden und Hygienemaßstäbe an, hat besser ausbalancierte Zuchtgemeinschaften und ist umweltkompatibler.

Für die meisten Küstenbewohner der Tropen sind Fische, Muscheln und Krebstiere die Hauptquelle für tierisches Eiweiß. Der Handel mit Fisch ist für Entwicklungsländer auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und bringt jährlich netto um die 36 Milliarden US-Dollar ein.

Die IMTA ist mit einer Vielzahl verschiedener Aufgaben verbunden: Füttern der Fische, Ernten von Muscheln und Algen, Trocknen von Fischen, Seegurken und Algen an Land, Lagerung und Transport der Ware zum Markt.

Sie bietet Familien oder Dorfgemeinschaften in tropischen Küstengebieten eine zuverlässige Einkommensquelle, bei der jeder seine Aufgabe hat. Das wirtschaftliche Risiko ist geringer als bei Monokulturen, denn fällt ein Produkt durch einen „Ernteschaden“ aus oder bricht die Nachfrage ein, können noch die anderen vermarktet werden.

Die Nebenprodukte, wie Algen, Muscheln oder Seegurken, können hohe Preise erzielen, sind aber anspruchslos und mit geringen Investitionen zu kultivieren. Sie sind daher sehr rentabel.

Was können wir denn tun, um den Fisch auf unseren Tellern mit gutem Gewissen zu essen?

Geht mich das alles etwas an?

Geht mich das alles etwas an?

Die Meere werden leerer, Aquakulturpraktiken sind oft umweltschädlich – was können wir selbst dagegen tun?

Lieber kleine als große Fische kaufen: Beim Verbraucher sind die großen Raubfische wie Lachs oder Thunfisch sehr begehrt. Daher werden sie immer häufiger in Aquakultur aufgezogen, müssen aber mit kleinen Fischen gefüttert werden. Sinnvoller ist es, wenn wir die kleinen Fische, wie Heringe, Sardinen oder Anchovis direkt essen, möglichst aus nachhaltiger Fischerei.

Den Speiseplan erweitern: Am nachhaltigsten wäre es, vor allem solche Meeresprodukte zu essen, die ganz unten in der Nahrungskette stehen, wie die nährstoffreichen Algen und andere Wasserpflanzen oder Filtrierer wie Muscheln. Diese müssen gar nicht gefüttert werden und reinigen sogar das Wasser in ihrer Umgebung.

Lokal ist die beste Wahl: Möglichst lokal gezüchteten oder gefangenen Fisch kaufen, der keine langen Transportwege hinter sich hat. In Deutschland werden vor allem Süßwasserfische wie Karpfen oder Forelle gezüchtet, die sollten deshalb den Meeresfischen vorgezogen werden. Bei Fangfischen aus dem Meer lokale Arten aus Nord- und Ostsee bevorzugen, wie Hering und Scholle, denn in Deutschland bestehen recht strenge Fangauflagen.

Herkunft der Fischprodukte nachfragen: Soweit wie möglich Informationen zu Fangmethode oder Art der Aquakultur beim Kauf berücksichtigen. Welche Fangmethoden und Aquakulturproduktionen ökologisch nachhaltig sind, kann im Internet z.B. auf den Seiten der Welternährungsorganisation (FAO) nachgelesen werden.

WWF und Greenpeace informieren in ihren Einkaufsratgebern darüber, welche Speisefische und Meeresfrüchte mit gutem Gewissen gegessen werden können.

Anbieter wie Followfish wählen die Produkte ihres Sortiments unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit gezielt aus und ermöglichen es, ihre Herkunft verlässlich nachzuverfolgen.

Siegel können gute Wegweiser sein: Siegel auf der Packung wie z.B. MSC (für Fangfisch) oder ASC (für Aquakulturfisch) und Naturland stehen für nachhaltige Produktion und können bei der Kaufentscheidung helfen. Dabei sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass die Zertifizierung auch ein Geschäft ist und die Standards zur Bewertung mitunter stark variieren können.

Alle Themen im Überblick

Die IMTA und die traditionelle Aquakultur

  1. Einführung
  2. 1 Die Meere leeren sich…
  3. 2 Freitags gibt´s Fisch
  4. 3 Die Schmutzschleuder
  5. 4 Winzlinge mit großer Wirkung
  6. 5 Es war einmal … ein Mangrovenwald
  7. 6 IMTA: Wohngemeinschaft unter Wasser
  8. 7 Der Ozean bittet zu Tisch
  9. 8 Lebende Wasserfilter
  10. 9 Was ist grüner Kaviar?
  11. 10 Können Raubfische zu Vegetariern werden?
  12. 11 Der Familienbetrieb
  13. 12 Geht mich das alles etwas an?